Mein kleines Glück waren schon immer Gänseblümchen. Plötzlich sind sie da. Sie kommen mit dem Frühling und verteilen sich auf grünen Wiesen, weiß und gelb. Als wären sie es schon immer gewesen. Sie geben mir ein Gefühl von Ankommen, von Sicherheit. Sie erinnern mich an unbeschwerte Tage. Daran, wie ich als kleines Mädchen auf der Wiese hinter dem Haus meiner Großeltern saß, in einem Meer aus Gänseblümchen, und 

Kränze aus ihnen flocht. Kränze und Ketten und Armbänder, für mich und meine vielen Cousins und Cousinen. Die Sonne wärmte mich, die Gänse schnatterten hinterm Zaun und im Stall schmatzen zufriedenen Schweine.

Gänseblümchen sind mein kleines Glück. Und seit einem Karsamstag vor einigen Jahren sind sie mir noch viel mehr, als das. An diesem Karsamstag saß ich auf den Altarstufen in einer Kirche. Um mich 21 andre Menschen. Wir alle hielten ein serviettengroßes, weißes Leinentuch vor unser Gesicht. Wir alle saßen dort gemeinsam, im Angesicht unserer Brüche und Wunden. Ich hauchte und flüsterte meinen Schmerz in das Tuch. Ich weinte. Ich vermisste meinen Sohn Felix so sehr. Manchmal wusste ich nicht wohin mit mir vor lauter Schmerz und Vermissen. Vor lauter Warum. Ich ließ los. Und das Leinen hielt.

Sorgsam faltete ich das Tuch sorgsam zusammen, darin meine Tränen und Schmerz. Ich hielt es fest. Mein Herz pochte. Wollte ich das wirklich hergeben?

Gemeinsam gingen wir nach draußen. Es regnete. Jemand hatte unter dem Kreuz ein Grab ausgehoben. Es war ein besonderer Ort. Darum herum standen wir jetzt und legten dort unsere Tücher hinein. Wir weinten mit dem Himmel. Wir beteten. Wir summten vom Korn, das in die Erde fällt. Und schlossen schließlich das Grab. Am Schluss legten wir die kleine Grasnarbe auf den Erdhaufen.

Am nächsten Tag schickte mir meine Freundin ein Foto von der Stelle. Die Sonne schien. Und aus dem Nichts war über Nacht ein einzelnes, kleines Gänseblümchen genau in der Mitte der Grasnarbe gewachsen. Es war der Ostermorgen.

„Mädchen, steh auf.“ Das sagte wenige Tage Zuvor meine andere Freundin zu mir. Jesus hatte es vor ihre gesagt. Bis zu diesem Karsamstag war mir das nie gelungen. Ich fiel und fiel immer wieder hin. Und oft genug wollte ich am allerliebsten einfach am Boden liegen bleiben.

Das Gänseblümchen war mein kleines Glück. Und ist es noch.
Und dieses kleine Glück
Ist ein kleines Stück
Vom Großen.
Von dem, was einmal ganz sein wird.
Ich glaube: Es umfängt diese Welt. Und macht sie einmal heil.

Talita cumi. Mädchen, steh auf.