"Ich bin das Brot"
Predigt zu Johannes 6,47-51
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch – für das Leben der Welt.
Einmal, in Molau
UNBOX und ich, wir kennen uns in Teilen schon eine Weile. In den letzten Jahren haben wir immer mal etwas gemeinsam gemacht. Oft hatte es damit zu tun, Kirche und ihre Schätze anders zu nutzen, als das gewohnterweise der Fall ist: Wir haben diesen Würfel im Advent mitsamt einer pinken Krippe durch die Stadt getragen, haben an Michaelis Gebete von Instagram auf Engelsflügel-Segel durch die Kirche projiziert und während der Lockdowns in Online-Gotte*diensten Brot und Geschichten miteinander geteilt.
Und das ist einer der Gründe, weshalb ich so gern bei UNOX arbeite: wir suchen Spielraum für den innerhalb und Anschluss außerhalb von Kirche, auf ganz unterschiedliche Weise, jede mit ihren Gaben und Kompetenzen.
Vor ein paar Jahren, haben Annette und ich etwas zusammen gemacht. Wir waren in Molau, in Thüringen. Mit einigen anderen tollen Menschen sind wir der Einladung eines Kollegen gefolgt: Eine seiner Dorfkirchen, die über Jahrzehnte hinweg als Stall und Scheune genutzt worden war, sollte wieder „in Betrieb“ genommen und zuvor mit Leben gefüllt werden. Also erklärte er den alten Raum für einige Tage zum Spielraum, in dem wir kreativ wurden: Wir ließen uns inspirieren von Künstler*innen und performten, fotografierten, schrieben. Wir legten uns in den großen Taufstein, eingerollt, wie in Gottes Mutterschoß und zeichneten die Bewegungen von Licht und Ameisen nach. PlayingArts nennen wir das. Und das ist für mich so etwas wie kreativ-spirituelle Bildung. Vor allem aber eine Übung und eine Haltung:
Ich lasse los und lasse mir geschehen. Dazu brauche ich keinen Zweck, kein Ziel, kein Schaffen und gut machen müssen: es ist Risiko und Freiheit. Und dazwischen ist ganz viel Platz für Dinge, die einfach geschehen – vom Himmel fallen:
Gnade – Gesehen- und Gefundensein.
Jesus
Seit jeher schon fallen Dinge vom Himmel auf die Erde. So wie damals, als tausende Menschen und die Jünger*innen sich am See Tiberias um Jesus versammeln. Weil sie wissen wollen:
Wer ist dieser Mensch?
Was kann der?
Ist er König oder Zinker?
Und Jesus sagt:
Ich bin das Brot des Lebens,
vom Himmel gefallen
für euch
damit ihr ewiges Leben habt,
schon jetzt.
Brot
Brot ist ein Zufallsprodukt.
Es ist in gewisser Weise einfach passiert:
als vor ca 6000 Jahren im alten Ägypten ein Getreidebrei vergessen wurde, da veränderte sich sein Zustand: er gor. Vielleicht tropfte etwas davon versehentlich auf einen heißen Stein oder wurde willentlich in die Asche eines heißen Feuers getan. Doch statt zu verbrennen, wurde er zu Brot – althochdeutsch: Prot – Gegorenes.
Ich bin das Brot des Lebens
vom Himmel gefallen.
Die Sache ist längst ausgegoren:
Nichts, nichts kann ich dazu tun oder lassen,
dass Gott* mich liebt.
G*ttes Gnade fällt mir zu
Ein Bocken Himmel nur für mich:
Geschenkt.
Jetzt schon:
fürchte dich nicht
Jetzt schon –
bin ich da für dich.
Angst in Molau
Am Ende unserer Spielzeit in der Molauer Dorfkirche feierten wir Gottes*dienst. Menschen, die in den letzten Tagen immer wieder neugierig vorbeigekommen waren, um mitzumachen oder einfach zu schauen, füllten jetzt auf Klappstühlen den kleinen Raum mit der morschen Orgel und dem Klarglasfenstern, die einmal bunt gewesen waren, bevor sie erneuert werden mussten, weil jemand sie eingeschlagen hatte. Die Kerzen waren entzündet und man hörte nur noch leises rascheln. Etwas Neues lag in der Luft, etwas, das zugleich schon immer da gewesen war. Als wäre das Heilige nach einem langen Schlaf wieder erwacht. In diesem Gottesdienst trugen wir unsere Spuren zusammen, jede*t teilte, was er oder sie hatte. Einige von uns saßen dazu vorn im Altarraum, um das performativ mit Worten und Bewegungen zu tun.
Als ich an der Reihe war, da hatte ich plötzlich Angst. Sie hatte nichts mit Lampenfieber zu tun, sondern war von der grundsätzlichen Sorte:
Erwachsen sein, Krisen, Verantwortung –
Was, wenn ich all das nicht schaffe?
Was, wenn ich dieses Leben, mein Leben, nicht gebacken kriege?
Leben
Es ist rauf, dann wieder runter, das Leben.
Blick in die Welt:
Kriege, Klima, Faschismus
Definitiv bergab
Blick in mein Herz:
Endlich wieder Frühling, Arbeit, Aufgehn, Licht
Was morgen wird, das weiß ich nicht
und heute reicht´s für mein bergauf.
Leben ist
Behalten wollen und Teilen
Ist Immer zu wenig und von allem zu viel
Leben ist hinweg und hinüber
Sein und Gehen
ist Sturm und Stille
Das ist Leben.
Leben ist lila, wie Passion:
Ich stelle mich ein
auf Sterben und Getrenntsein
von Menschen und Dingen
Beziehungen und Zukunft
Und ja, auch von Gemeinden und Gebäuden.
Ich schaue da hin, wo´s weh tut
Weil ich ja weiß:
Wenn es das jetzt gerade nicht tut,
dann wird es das bald gewiss wieder:
Denn alles Leben wird mit einem Ende geboren.
Leben ist auch weiß:
ist Mehl und Salz
und Wasser, auf dem die Sonne glitzert
Leben ist wie Tücher aus Leinen
hinter einem Stein,
3 Tage lang
Und wie der Engel, der sagt:
der, den ihr sucht?
Nicht hier – auferstanden.
Das ist Leben
All das zusammen und alles dazwischen:
So viel Rosa von Lila bis Weiß:
(Verweis auf baumarkt-Farbkarten in den Reihen):
Wie ein Kirschblütenmeer ist Leben
und wie Zuckerwatte
wie kokette Sinnlichkeit und Wolken in rosé.
Es ist wie eine Brille, durch die man ab und zu auf die Welt schauen sollte, um nicht im Schmerz zu versinken.
Luft holen ist Leben und sich vergewissern:
„es kommt auf mich an, aber es hängt nicht von mir ab.“ (Ruth Cohn)
Gebacken in Molau
Als ich dort vorn in der Molauer Kirche mit meiner Angst unter dem Fenster auf einer zerbrochenen Mauer hockte, die wohl mal ein Vorsprung gewesen war – da überlegte ich kurz, ob ich mich nicht doch lieber still zu den anderen auf einen Klappstuhl setzen sollte.
Was, wenn niemand mir glaubte und keiner verstand? Was, wenn das hier nicht der Ort wäre, das Leben nicht gebacken zu kriegen?
Ich entschied mich anders. Ich teilte meine Angst, rief und flüsterte sie in den Raum: „meine Angst. Meine große, große Angst“.
Genau in diesem Moment erfüllte der Geruch von Brot die Kirche und stieg mir in die Nase. Meine Kollegin buk es in ihrer Pfanne auf dem Altar, für unser Abendmahl. Und da hörte und spürte alles in mir, wie Gott sagte:
„Ich bin da.“
Und es duftete nach Leben.
Jesus
Jesus sagt: Ich bin das Brot.
Nicht:
Ich bin nicht der Sauerteig,
den du hegen und pflegen muss, damit er am Ende aufgeht.
Auch nicht:
Ich bin auch der Ofen,
in dem du dir eine gerechte Welt,
eine volle Kirche
und ein leichtes Leben backen kannst.
Jesus sagt:
Ich bin das Brot.
„Du musst nichts gebacken kriegen“ (Lea und Holger, Predigtbuddies zu „Lätare“ 2025)
Ich bin für dich
damit in dir der Himmel blüht
und du gut durchs Leben kommst
wie zwischen Himmel und Erde
eine Wolke in rosé.
Denn, liebe Gemeinde, da ist immer schon „Eine, die ihre Hände tief in den Teig steckt:
kalzig, wie Tränen,
klebrig wie die Angst, die wir nicht loswerden.“ (Danke für dieses Resonanz, liebe Sabrina!)
Sie sorgt dafür, dass am Ende alles aufgeht
und schenkt uns für all unser Dazwischen
Schon jetzt einen Brocken Ewigkeit,
der duftet nach Leben und Sehnsucht
und nach Gottes* Versprechen:
Ich bin immer da.
Amen
